Fallbeispiel

Drucken

Verena ist sechs Jahre alt und freut sich auf die erste Klasse Volksschule, die sie ab Herbst besuchen wird. Verena lebt mit ihrer Mama, ihrem Papa, ihrem jüngeren Bruder Andreas und ihrem weißen Hasen „Flocke“ zusammen. Sie ist ein fröhliches und ausgeglichenes Kind.

Verena geht gerne in den Kindergarten. Dort spielt sie in der Puppenecke und hat ein paar Stunden Ruhe vor Andreas, der immer ausgerechnet mit dem Spiel spielen will, dass Verena gerade hat.

Samstag ruft Onkel Hans bei Verenas Mama an und fragt, ob Verena Zeit und Lust habe, bei ihm zu übernachten. Verena hat ihren Onkel sehr gerne und freut sich, dass sie schon ein so großes Mädchen ist, die sich beim Onkel schlafen traut. Sie sagt sofort zu. Das Wochenende vergeht und Onkel Hans bringt Verena wie verabredet am Sonntagabend nach Hause. Der Onkel isst noch mit der Familie zu Abend und fährt dann selbst heim. Als Mama Verena und Andreas ausziehen und baden will, fängt Verena an zu weinen. Sie lässt sich überhaupt nicht beruhigen und schlägt wie wild um sich. Papa kommt ins Bad und redet lange mit Verena. Gemeinsam gelingt es den Eltern, dass Verena sich ausziehen lässt. Mama und Papa sehen beim Waschen sofort, dass Verena im Bereich der Scheide und des Afters stark gerötet ist. Verena beginnt wieder zu weinen und erzählt schließlich, dass sie bei Onkel Hans so grausliche Filme gesehen hat, wo „sich alle ablecken und küssen“ und dass der Onkel sie beim „Lulu und Aa“ berührt hat. Jetzt fängt auch Verenas Mama heftig zu weinen an und schreit Verena an, ob das alles auch wahr sei. Da Verena dies glaubwürdig bestätigt fährt die Mutter mit ihrer Tochter sofort zur Kinderabteilung des nächstgelegenen Krankenhauses. Auf der Kinderklinik wird Verena gynäkologisch untersucht. Die Ärzte teilen der Mutter mit, dass sie den Vorfall anzeigen müssen und dass sie mit Verena über Nacht bleiben soll.

Am nächsten Tag kommen zwei Kripobeamtinnen in Zivil zu Verena und sie muss alles noch einmal erzählen. Die Frauen reden auch mit der Mama alleine und die Mama fängt wieder heftig an zu weinen. Verena hat Angst, wenn Mama so viel weint.

Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus übergibt die Ärztin der Mutter die Telefonnummer des Kinderschutz-Zentrums Graz und informiert sie darüber, dass dort Leute arbeiten, die Familien in solchen Krisen unterstützen und auch zu Gericht begleiten.

Im Kinderschutz-Zentrum selbst bekommen sowohl Mama und Papa als auch Verena eine eigene Mitarbeiterin zur Seite gestellt. Die Familie wird auf die kontradiktorische Einvernahme vorbereitet und anschließend zu Gericht begleitet. Die Familie lernt im Kinderschutz-Zentrum die Opferanwältin kennen, die Verena einen Lutscher bringt und Mamas und Papas Fragen beantwortet. Während die Erwachsenen reden, spielt Verena mit ihrer Psychologin „Puppenhaus“ – das macht sie am allerliebsten. Verenas Aussage bei Gericht verläuft gut, und sie freut sich über den Eisbecher mit dem Zauberstab, auf den sie von der Prozessbegleiterin eingeladen wird. Überhaupt bekommt Verena ganz viel Lob, wie gut sie die Aussage gemacht hat, wie mutig sie war alles zu erzählen, und sie weiß, dass sie es jetzt keinem Fremden mehr erzählen muss.

Verenas Eltern werden noch zur Hauptverhandlung begleitet. Onkel Hans muss für zwei Jahre ins Gefängnis, was unterschiedliche Gefühle auslöst. Die Prozessbegleiterinnen arbeiten noch einige Stunden mit der Familie an den Sorgen und Ängsten, die im Zusammenhang mit dem sexuellen Übergriff stehen. Weitere Hilfsangebote will die Familie im Moment nicht in Anspruch nehmen. Sie weiß aber, an wen sie sich wenden kann, wenn es doch einmal notwendig sein sollte. Zum Schluss gibt es eine gemeinsame Abschlussspielstunde mit den Eltern, Verena und den beiden Prozessbegleiterinnen.

Anmerkung:
Alle Namen sind frei erfunden und haben keine Ähnlichkeit mit bekannten Personen